Autismus im Beruf

Autismus im Arbeitsalltag kann sowohl eine Stärke sein als auch eine Herausforderung. Autismus im Beruf wird von vielen Unternehmen noch zu wenig berücksichtigt, weil vielen das Wissen fehlt. Dabei können schon kleine Anpassungen viel bewirken.

Wie finden autistische Menschen einen Job?

Da je autistische Person eigene Stärken und Herausforderungen hat, kann hierauf keine pauschale Antwort gegeben werden. Je nach Umfrage und Statistik wird angegeben, dass rund 60 bis 90 Prozent der Autist*innen in Deutschland arbeitslos sind – im Vergleich zu einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 6 Prozent. Das sind erschreckend hohe Zahlen. Wichtig ist es daher, dass wir uns alle für mehr Inklusion einsetzen – sowohl in der Schule, aber auch in der Ausbildung, dem Studium und natürlich am Arbeitsplatz.

Welche Stärken bringt Autismus im Beruf mit?

Im Idealfall findest du einen Job, in dem du deine Stärken, Interessen und Leidenschaften einbringen kannst. Viele denken bei Autismus zuerst an technische Berufe, an Software-Programmierung und Mathematik. Auch kreative Berufe in den Bereichen Schauspiel, Musik, Kunst oder Grafikdesign können passen. Aber auch viele andere Bereiche wie Jura, Journalismus und viele mehr können für autistische Menschen richtig sein.

Alle Menschen sind unterschiedlich, aber viele autistische Personen bringen diese Stärken mit in den Beruf:

  • Ein Auge für Details
  • Sorgfalt/Genauigkeit
  • gute Organisation
  • strukturiert
  • beharrlich, gutes Durchhaltevermögen
  • effizient
  • kreative/ungewöhnliche Lösungen finden
  • starkes Engagement und Leidenschaft
  • Loyalität
  • Hyperfokus, starke Vertiefung in Themen

Spätdiagnostiziert mit Autismus – welche Möglichkeiten habe ich bei der Arbeit?

Wenn du erst als Erwachsene*r deine Autismus-Diagnose erlangt hast, hast du unterschiedliche Möglichkeiten.

Du entscheidest selbst, ob du deine Diagnose mit anderen Personen am Arbeitsplatz teilen möchtest. Wenn du ein unterstützendes Umfeld hast, können alle davon profitieren.

  • du kannst mehr du selbst sein
  • anstatt Energie ins Maskieren zu stecken, kannst du sie für die Arbeit nutzen
  • du bist konzentrierter, wenn du dir Stimming erlabust
  • weniger Missverstände
  • mehr Verständnis untereinander
  • du kannst deine Stärken gezielter einsetzen
  • du kannst konkret nach Unterstützung fragen

Welche Anpassungen am Arbeitsplatz sind bei Autismus sinnvoll?

Auch wenn alle individuelle Bedürfnisse haben, gibt es viele Punkte, die bei Autismus häufig helfen:

  • Geräusch-reduzierende Kopfhörer tragen
  • ggfs. vereinbaren, dass man nicht gestört wird, wenn man Kopfhörer hat
  • Einzelbüro (wenn möglich) oder ein ruhiger Schreibtisch (z.B. in einer Ecke)
  • Rückzugsraum
  • Homeoffice ermöglichen
  • Vorhersehbarkeit, z.B. Agenda für Meetings im Voraus teilen
  • Raumpläne in jeder Etage
  • Stimming-Toys, Kuscheltiere, Gewichtsdecken usw. befürworten
  • bevorzugte Kommunikationsart unterstützen (z.B. Mail oder Messenger statt Telefonat oder persönliches Gespräch)
  • keine Verpflichtung zu sozialen Aktivitäten wie Weihnachtsfeiern, Team-Essen usw.
  • Untertitel in Video-Konferenzen
  • Protokolle und Dokumentationen zum Nachlesen
  • Präsentationen als visuelle Unterstützung bei Vorträgen
  • Flexibilität ermöglichen, beispielsweise bei Arbeitszeit oder Reihenfolge von Aufgaben
  • regelmäßige Feedbackgespräche
  • Bewegung ermöglichen und ermutigen – beispielsweise aufstehen in Meetings

Natürlich ist nicht immer alles an jedem Arbeitsplatz einfach umzusetzen. Trotzdem lohnt es sich zu prüfen, was dir persönlich gut tut – denn davon profitiert am Ende auch das Unternehmen.

Was nützt ein Schwerbehindertenausweis bei Autismus im Beruf?

Du bist autistisch und fragst dich, ob du einen Schwerbehindertenausweis beantragen solltest? Vielleicht scheust du dich vor dem bürokratischen Aufwand. Vielleicht magst du das Wort „schwerbehindert“ auch nicht so gerne. Oder du bist dir unsicher, wie andere darauf reagieren und ob das auf dich überhaupt zutrifft. So geht es vielen.

Du entscheidest selbst, ob du einen Antrag beim Versorgungsamt stellen möchtest. Du entscheidest auch selbst, wem du davon erzählen möchtest. Wie du den Antrag stellst, erfährst du auf unserer Seite „Was tun nach der Autismus-Diagnose„.

Das Amt prüft, wie gut du am gesellschaftlichen Leben teilhaben kannst – sowohl im Berufsleben, aber auch in allen anderen Bereichen wie Familie, Kultur (Konzerte, Theater…), Freundschaft, Sport und im Alltag wie Einkaufen, Autofahren, Hygiene und Haushalt.
Daraus ermittelt sich der sogenannte Grad der Behinderung. Bei einem Grad der Behinderung von 50 und darüber spricht man offiziell von „Schwerbehinderung“.

Welche Vorteile hat der Schwerbehinderten-Status bei Autismus im Beruf?

Vorab zum Wort „Vorteil“: Diese Formulierung wird zwar häufig verwendet, aber es ist keine „Extrawurst“, sondern ein Nachteilsausgleich. Es soll also dafür gesorgt werden, dass ein Nachteil, den du aktuell hast, ausgeglichen wird, damit du dieselben Chancen hast wie andere. Das ist kein Vorteil, das ist nur fair.

Im Gesetz ist das Schwerbehindertenrecht festgelegt und besagt genau, was dir zusteht. Das umfasst unter anderem:

  • 1 Woche mehr Urlaub
    besonders hilfreich nach anstrengenden Phasen, wie Messen, Dienstreisen oder Projektabschlüssen
  • Recht auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz und angepasste Bedingungen
  • Vorzugsrechte bei Fortbildungen
  • Präventions-Verfahren, wenn dein Arbeitsplatz gefährdet ist
  • zusätzlicher Kündigungsschutz (das Integrationsamt muss zustimmen)

Wenn es bei deiner Arbeit eine Schwerbehinderten-Vertretung (SBV) gibt, kannst du dich mit Fragen an die Vertrauensperson wenden. Wenn es keine SBV gibt, aber einen Betriebsrat, dann ist der Betriebsrat eine gute Anlaufstelle.

Was kann ich als Autist*in bei einem Grad der Behinderung unter 50 bei der Arbeit tun?

Du hast einen Grad der Behinderung von 30 oder 40? Dann stehen dir leider nicht die gleichen Rechte zu wie bei einer offiziellen Schwerbehinderung (Grad der Behinderung ab 50), aber du kannst beim Arbeitsrecht eine Gleichstellung beantragen. Diese Gleichstellung „stellt dich mit Schwerbehinderten gleich“. Dadurch gelten viele Rechte auch für dich, allerdings nicht alle: Es gibt beispielsweise nicht mehr Urlaubstage.

Wann gewährt das Arbeitsamt eine Gleichstellung bei Autismus?

Grundsätzlich prüft das Arbeitsamt, ob vor allem folgende Kriterien erfüllt sind:

  • Grad der Behinderung von 30 oder 40
  • arbeitslos – eine Gleichstellung ist nötig, um einen Arbeitsplatz zu erlangen, der deinen Qualifikationen entspricht
  • oder: eine Gleichstellung ist nötig, damit du deinen Arbeitsplatz nicht verlierst
  • oder: eine Gleichstellung ist nötig, damit du beruflich nicht benachteiligt wirst (beispielsweise bei beruflichen Veränderungen, Beförderungen usw.)