Nachteilsausgleich bei Autismus in der Schule

Kinder haben in der Schule das Recht auf einen Nachteilsausgleich bei Autismus, da niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf.

Was ist ein Nachteilsausgleich für autistische Schüler*innen?

Ein Nachteilsausgleich ist ein schriftliches Dokument, in dem Anpassungen für ein bestimmtes Kind individuell bestimmt werden. In der Regel treffen sich Lehrkräfte und Eltern zusammen mit einer Person vom Landesförderzentrum Autistisches Verhalten. Wenn es eine Schulbegleitung gibt, ist es sinnvoll, dass auch die Schulbegleitung und/oder jemand vom Träger der Schulbegleitung mit Autismus-Erfahrung anwesend ist.

Wichtig ist sich klar zu machen: Es geht hier nicht um Vorteile oder eine Extrawurst. Wie der Name „Nachteilsausgleich“ sagt, sollen Nachteile ausgeglichen werden, damit das Kind möglichst gleichwertige Chancen hat.

Warum ist ein Nachteilsausgleich bei Autismus wichtig?

Vielen autistischen Kindern fällt der Schulbesuch schwer. Das aktuelle Schulsystem mit großen, oft lauten Klassen ist nicht für autistische Menschen gemacht. Darum ist ein Nachteilsausgleich bei Autismus sehr wichtig, um gesund durch die Schulzeit zu kommen und die eigenen Stärken nutzen zu können. Ein Kind, das reizüberflutet aus der Pause kommt und eine 4 in der Klassenarbeit schreibt, hätte vielleicht eine bessere Note geschafft, wenn es die Pause im Ruheraum hätte verbringen dürfen. Zensuren oder Verhalten spiegeln manchmal nicht das eigentliche Wissen, sondern mehr die Überlastung, indem sich das Kind befindet.

Wichtiger als gute Noten sollte aber vor allem die Gesundheit der Kinder sein. Burnout, Ängste und Depressionen können gerade bei Autismus bereits im Kindesalter auftreten, wenn die Bedürfnisse immer wieder ignoriert werden und die Kinder immer wieder „die Zähne zusammenbeißen müssen“ (Redewendung).

Was sind Beispiele für den Nachteilsausgleich bei Autismus?

Da jedes autistische Kind anders ist, ist auch jeder Nachteilsausgleich unterschiedlich. Es ist wichtig individuell zu gucken, was dein Kind braucht. Manchmal gibt es kreative Lösungen, die es bisher noch nicht an der Schule gab. Es gibt auch große Unterschiede zwischen Schule: Was in der einen Klasse bereits Standard für alle Kinder ist (und daher nicht extra in den Nachteilsausgleich muss), muss in einer anderen Schule hart erkämpft werden. In vielen Schulen ist es beispielsweise schon üblich, dass Kindern Kopfhörer („Mickeymäuse“) zur Verfügung stehen, um sich bei Stillarbeit besser konzentrieren zu können. Auch Fidget-Toys, Wackelkissen und Mützen sind für manche Alltag, für andere Lehrkräfte ein No-Go.

Die Liste ist nahezu unendlich, ein paar häufige Beispiele für den Nachteilsausgleich bei Autismus sind folgende:

  • Reize reduzieren (zum Beispiel durch Sonnenbrille, Schirmmütze, Sichtschutz, Kopfhörer)
  • Bewegung unterstützen (zum Beispiel durch Wackelkissen, Sitzball, Stehpult, Bewegungspausen)
  • Sitzplatz anpassen (vorne oder hinten, am Fenster oder eher in einer Nische – je nach eigenem Bedürfnis)
  • zusätzliche Pausen schaffen (Ruhe-Ecke im Raum, oder in einem Nebenraum oder Pausenhof)
  • Pausen im Klassenraum oder anderem ruhigen Raum statt auf dem Pausenhof und/oder 2 Minuten vor dem Klingeln reingehen, um das Gedrängel auf den Gängen zu vermeiden
  • Zeiten reduzieren (z.B. weniger Stunden pro Tag oder 1 Tag pro Woche frei)
  • keine oder reduzierte Hausaufgaben, weniger Wiederholungen
  • streichen bestimmter Fächer, die besonders belasten (häufig Sport, Kunst oder Musik)
  • Alternativen für Gruppenarbeiten oder Referate
  • Klassenarbeiten in einem eigenen Raum oder auch längere Bearbeitungszeit
  • Schreibassistenz (Schulbegleitung schreibt für das Kind) oder Nutzung von Laptop/Tablet zum Schreiben
  • Arbeitsblätter in größerer Schrift, nur einseitig bedruckt

Wer entscheidet über den Nachteilsausgleich?

Im Idealfall wird gemeinsam mit allen beteiligten Personen beraten und über den Nachteilsausgleich entschieden: Lehrkräfte (entweder nur die Klassenlehrkraft oder gegebenenfalls auch weitere), Eltern, einer Person vom Landesförderzentrum Autistisches Verhalten und Schulbegleitung (oder eine Person vom Träger der Schulbegleitung). In seltenen Fällen ist auch die Schulleitung anwesend.

Praxistipps für den Nachteilsausgleich

Es ist sinnvoll, sich gut auf den Termin für den Nachteilsausgleich vorzubereiten. Ein paar Tipps für den Nachteilsausgleich bei Autismus:

  • Schreibe dir Zuhause bereits eine Liste für den Termin. Welche Punkte sind aus deiner Sicht „Must-Haves“ (also müssen auf jeden Fall in den Nachteilsausgleich) – wo könnte über Alternativen oder Kompromisse diskutiert werden?
  • Unterhalte dich mit deinem Kind, wenn es möglichst ist. Welche Dinge berichtet es selbst, die stören oder viel Energie kosten? Was beobachtest du zu Hause? Was hilft dort besonders gut?
  • Sprich mit anderen Eltern – welche Anpassungen haben dort die Kinder? Vielleicht gibt es Punkte, an die man selbst noch gar nicht gedacht hat. Außerdem kann es in der Argumentation helfen zu wissen, was bereits in anderen Klassen umgesetzt wird.
  • Informiere dich bei Fachpersonen, zum Beispiel der Autismusförderung (wenn dein Kind eine bekommt) oder dem Träger der Schulbegleitung, sie haben häufig schon viel Erfahrung, was alles möglich ist.
  • Rede mit der Schulbegleitung: Wo sieht sie die größten Probleme? Was könnte aus ihrer Sicht helfen?
  • Hab keine Angst vor Anpassungen, die für andere komisch klingen. Dein Kind sich am besten konzentireren, wenn es auf der Erde liegt? Vielleicht darf es die Arbeitsblätter auf der Erde bearbeiten statt am Tisch.

Wie geht es mit dem Nachteilsausgleich weiter?

Der Nachteilsausgleich ist erstellt, jetzt wird alles gut. Oder doch nicht? Das hängt sehr davon ab, ob alle dafür sorgen, dass der Nachteilsausgleich nicht nur ein Stück Papier in einer Akte ist, sondern auch tatsächlich im Schull-Alltag gelebt wird. Frag nach, ob alle (!) Lehrkräfte den Nachteilsausgleich erhalten haben. Wenn du merkst, dass etwas nicht umgesetzt wird, kann es helfen, noch mal eine Kopie des Nachteilsausgleichs an die Lehrkraft zu geben und die entsprechende Stelle zu markieren. Im stressigen Schulablauf kann auch die beste Lehrkraft vergessen, was im Ausgleich steht. Wenn sich Vorfälle häufen, ist es sinnvoll, ein gemeinsames Gespräch zu führen. So könnt ihr klären, was die Gründe sind.