Dein Kind oder ein anderes Familienmitglied zeigt autistische Züge? Vielleicht überlegst du auch selbst, ob du autistisch bist? Du machst dir Gedanken, wie es jetzt weitergeht? Ist eine formale Diagnose überhaupt wichtig oder kann so ein “Stempel” auch schaden? Unsere Meinung ist klar: Eine Diagnose ist wichtig und hilft dabei, zu verstehen, wer man ist und welche Strategien im Alltag helfen. Es gibt den Spruch, das eine Autismusdiagnose ist, als würde man erfahren, dass man ein Zebra in einer Herde von Pferden ist. Man hat trotzdem weiter Streifen, aber man hält sich nicht mehr für ein komisches Pferd, das nicht dazugehört.
Die Autismus-Diagnostik durchzuführen ist leider manchmal nicht so einfach. Wenig Anlaufstellen und lange Wartezeiten erschweren den Zugang. Doch Dranbleiben lohnt sich.
Verdacht auf Autismus – wo kann ich mich informieren?
Ein guter erster Schritt ist es, sich gut zu informieren. Dies ist leider auch deshalb wichtig, weil du in vielen Bereichen auf Menschen treffen wirst, die sich nicht mit Autismus auskennen oder auf dem Wissensstand der 90er sind. Daher kann es sehr hilfreich sein, gängige Vorurteile, Klischees und veraltete Kriterien über Autismus zu kennen. So kannst du sie bei anderen erkennen und widerlegen.
Achte daher bei Literatur auf das Erscheinungsjahr – es hat in den letzten 20 Jahren enorm viele wissenschaftliche Erkenntnisse gegeben. Gib Büchern Priorität, die möglichst jünger als 5 Jahre sind, eine wertschätzende Sprache wählen und von autistischen Menschen selbst geschrieben wurden. Eine schnelle Art sich zu informieren ist auf Social Media. Hier finden sich mittlerweile zahlreiche autistische Menschen, die ihre Erfahrungen teilen – junge Menschen aus Schule und Studium genauso wie Erwachsene, die erst mit 40 oder 50 herausgefunden haben, dass sie autistisch sind.
“Kennst du einen autistischen Menschen, kennst du genau einen autistischen Menschen” heißt ein beliebter Satz, der verdeutlicht, dass Autismus ein Spektrum ist und alle eine unterschiedliche Verteilung von Stärken und Herausforderungen haben. Mehr über diese Varianz zu erfahren kann sehr hilfreich sein.
An wen wende ich mich bei Verdacht auf Autismus?
Bei Kindern und Jugendlichen ist die erste medizinische Anlaufstelle in der Regel die kinderärztliche Praxis. Es kann sinnvoll sein, im Vorfeld mit dem Kindergarten oder der Schule zu sprechen, um zu erfahren, wie sich das Kind sich in der Umgebung verhält und wie Außenstehende das Verhalten einschätzen. So hilfreich diese Einschätzungen sein können, so sind sie auch mit Vorsicht zu betrachten: Viele autistische Kinder “maskieren” sehr stark und passen sich an Gleichaltrige an. Gerade Mädchen bleiben dadurch länger unentdeckt. Zu Hause reagieren diese Kinder dann häufig mit großer Erschöpfung oder Meltdowns, die für Wutausbrüche gehalten werden. Vertraue auf dein Bauchgefühl. Eltern kennen ihr Kind am besten. Wenn du das Gefühl hast, dein Kind könnte autistisch sein, dann ist es richtig, das abzuklären.
Online-Tests können niemals eine Diagnostik ersetzen, aber sie können dir ein erstes Gefühl geben, ob dein Verdacht richtig sein könnte.
Für die Anmeldung zur Autismus-Diagnostik von Kindern brauchst du den Stempel der kinderärztlichen Praxis. Gehe daher am besten gut vorbereitet in den Termin und schildere offen deine Sorgen und Beobachtungen ohne das Beisein des Kindes.
Als Erwachsene Person fragst du dich vielleicht, welchen Unterschied es in deinem Arbeitsalltag machen kann, wenn du autistisch bist – dazu findest du mehr in unserem Abschnitt „Autismus und Beruf„.
Wo wird eine Autismus-Diagnostik durchgeführt?
Es gibt noch nicht viele Stellen, an denen eine Autismus-Diagnostik durchgeführt wird und leider haben fast alle lange Wartezeiten. Die Diagnostik kann stationär oder ambulant erfolgen. Bei einer stationären Aufnahme für 2-4 Wochen ist der Vorteil, dass das Kind über einen langen Zeitraum beobachtet und getestet wird. Hier können alltägliche Situationen wie Mahlzeiten beobachtet werden und wie das Kind mit Gleichaltrigen spielt und redet. Gerade bei Kindern, die sich gut anpassen können, kann diese Umgebung sehr hilfreich sein.
Allerdings bieten nur wenige Einrichtungen eine stationäre Diagnostik an und es kann zahlreiche weitere Gründe geben, warum ambulante Tests passender sein können.
Adressen zur Autismus-Diagnostik in Schleswig-Holstein, Hamburg und Umgebung:
Welche Therapien und Unterstützungen gibt bei Verdacht auf Autismus?
Manchmal vergehen über zwei Jahre, bis endlich eine Diagnose vorliegt. Daher ist es wichtig, schon vorher zu prüfen, welche Hilfen dein Kind braucht. Vielleicht ist Ergotherapie eine gute Idee.
Hat es Schwierigkeiten mit dem Sprechen? Dann kann Logopädie hilfreich sein und vielleicht profitiert ihr Kind von unterstützter Kommunikation: Bildkarten, Gebärden.
Hier findest du eine Liste mit Anlaufstellen für unterschiedliche Therapien in Kreis Steinburg, Kreis Pinneberg und Umgebung.
Hilfreiche Symbole, Wochenplaner und Ablaufpläne z.B. für Morgenroutinen und Hygiene finden sich kostenlos unter metaplan.com
Auch ein Pflegegrad kann bereits beantragt werden, bevor eine Diagnose vorliegt.
Und wie geht es nach der Diagnose weiter? Das liest du in unserem Bereich „nach der Diagnose“ mit vielen Hinweisen, was du jetzt beantragen und anpassen kannst.
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